Dynamisches Pricing genießt nicht den besten Ruf. Verbraucher denken an Fluggesellschaften und Taxi Apps, die Preise stündlich ändern und das Buchen zur Lotterie machen. Die einzigen Gewinner scheinen die Unternehmensbilanzen zu sein. Einigen sich ganze Branchen auf diese Preisgestaltung, haben Unternehmen wenig zu befürchten. Andernfalls sollten sie KI-basiertes dynamisches Pricing allerdings so einführen, dass es ein Win-Win-Szenario für alle Beteiligten ist.
KI-basiertes Pricing kann mehr schaden als nutzen
Mit dem Einzug von künstlicher Intelligenz in immer mehr Unternehmensbereiche gewinnt auch das Thema KI-basierte Preisoptimierung an Dynamik. Kein Wunder. Laut einer Studie von McKinsey setzen Unternehmen mit traditioneller Preisgestaltung in 30 % der Fälle nicht den besten Preis, was einen enormen Umsatzverlust darstellt. Mit intelligenter KI-basierter Pricing Software können Unternehmen dagegen mühelos jährliche Gewinnsteigerungen von durchschnittlich 5-10 % realisieren.
Was ist KI-basiertes dynamisches Pricing?
Im Gegensatz zur regelbasierten dynamischen Preisgestaltung (dynamic Pricing), die nur wenige Einflussfaktoren berücksichtigt und manuell angepasst werden muss, können die Algorithmen beim KI-basierten Pricing relevante Einflussfaktoren aus vielen verschiedenen Datenquellen identifizieren. Je nach Software führen sie automatisch Preisanpassungen durch, um vorgegebene Geschäftsziele zu erreichen. Die Anpassungen können auf Produkt- oder Kanalebene mit hoher Frequenz, bis zu hunderte von Malen pro Tag, durchgeführt werden.
Im E-Commerce und im Tourismus ist KI-Pricing bereits üblich. Da Kunden seit langem an hohe Preisschwankungen gewöhnt sind, hat die Einführung von KI in die dynamische Preisgestaltung keine große öffentliche Kritik ausgelöst. Mit dem Einzug von KI-basiertem Pricing in weitere Branchen und öffentlichen Äußerungen von Unternehmen zu ihrem Wechsel zur neuen Preisstrategie ändert sich die Stimmung allerdings.
Großbritanniens größte Pub-Gruppe, die Stonegate Group, kündigte erst kürzlich an, die Preise in 800 ihrer Lokale während der Spitzenzeiten um im Durchschnitt um 20 Pence zu erhöhen, um die Kosten für zusätzliches Personal und Lizenzanforderungen zu decken. Die Nachricht sorgte für einen landesweiten Aufschrei. Die Kunden bezeichneten die neu eingeführte “Unhappy Hour“ als Preisabzocke. Ihrer Meinung nach schade die Praxis der Beziehung zwischen Pubs und Kunden, erhöhe den finanziellen Druck in einer ohnehin schon schwierigen Zeit und schließe damit möglicherweise Menschen von dieser grundlegenden Erfahrung von Gemeinschaft aus.
Das dynamische KI-Pricing von Konzertkarten steht ähnlich massiv in der Kritik. 2022 löste das Unternehmen Ticketmaster eine öffentliche Debatte aus, als es Konzerttickets für ein Bruce-Springsteen-Konzert für 5000 US-Dollar verkaufte. Eine Welle der Empörung gab es auch, als KI-Pricing zu hohen Schwankungen bei den Ticketpreisen für Konzerte von Beyoncé und Taylor Swift führten.
KI-Pricing bedeutet nicht zwingend Preiserhöhung
In den letzten Jahrzehnten hat dynamisches Pricing mehr und mehr Branchen erobert. Die Implementierung ist durch neue technische Tools schlichtweg immer einfacher geworden und die Vorteile für Unternehmen sind mittlerweile zu signifikant, um sie zu ignorieren. In vielen Fällen akzeptierten die Kunden die schwankenden Preise nicht nur, sondern begrüßen sie sogar. Denn dynamisches Pricing ist, auch KI-gestützt, nicht mit Preiserhöhungen gleichzusetzen.
Ja, die Preise können mit zunehmender Nachfrage steigen, aber je nach Funktionalität der Software werden sie zu anderen Zeiten auch gesenkt. Strategische Käufer warten mit ihrem Kauf, bis ihre gewünschten Produkte besonders günstig angeboten werden – zu Preisen, die Unternehmen ohne datengestützte Preisoptimierung womöglich scheuen würden, weil sie ihnen nicht rentabel erscheinen. Ein anderer Vorteil für Kunden: Mit den durch KI-Pricing erhöhten Margen können Unternehmen häufigere Aktionsangebote und Rabatte für Neu- oder Stammkunden finanzieren.
KI-basierte Preisgestaltung hilft Einzelhändlern auch dabei, nachhaltiger zu werden. Mit der Preisoptimierung von 7Learnings können Unternehmen die Preise zum Beispiel auf ihre Geschäftsziele hin steuern. Wenn ein Händler den Lagerbestand eines Produkts bis zu einem bestimmten Datum reduzieren möchte, weil er saisonal oder verderblich ist, profitieren die Kunden von Preissenkungen. Es entsteht Platz für neue und frische Artikel und gleichzeitig wird verhindert, dass Produkte im Abfall landen.
Die französische Lebensmittelkette Carrefour hat bereits vor einiger Zeit elektronische Produktetiketten eingeführt, um Rabatte für überreife oder fast verdorbene Waren kurzfristig anzeigen zu können. Zu größeren Reaktionen von Kunden kam es nicht. Kürzlich hat auch die Supermarktkette Walmart die Umstellung auf elektronische Preisschilder angekündigt, um „die Preise schnell zu aktualisieren“. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis elektronische Etiketten auch hierzulande zur Norm werden.
Was entscheidet darüber, ob Kunden KI-Pricing akzeptieren?
Als die ersten Restaurants KI-basiertes Pricing einführten und ein Gericht an einem Sonntagabend teurer wurde als an einem normalen Mittwochabend, blieb das nicht unbemerkt. Kunden protestierten. Von Verständnis keine Spur. In einer Umfrage des Softwareunternehmens Capterra bezeichneten die Befragten die dynamische Preisgestaltung in Restaurants schlicht als „Preisabzocke“. Dabei sind unterschiedliche Preispunkte für unterschiedliche Zeiten in der Gastronomie nichts Neues. Niemand stört sich daran, dass Gerichte auf der Business-Speisekarte günstiger sind als auf der regulären Abendkarte. Was war jetzt anders?
Ob KI-gestütztes Pricing als Preistreiberei oder als nachvollziehbares Geschäftsgebaren wahrgenommen wird, hängt stark davon ab, wie Unternehmen die Preisoptimierung nutzen und ihre Entscheidung kommunizieren. Kunden schätzen Transparenz. Wenn sie in der Lage sind, die Gründe für KI-basierte Preiserhöhungen zu verstehen, werden sie einer Marke eher treu bleiben, weil sie die Möglichkeit erhalten haben, ihr Kaufverhalten anzupassen.
Die Einführung von KI-basierten Preisen nicht zu kommunizieren, ist keine Lösung. In unserer hypervernetzten Welt werden Kunden früher oder später von dem Einsatz erfahren.
Letztendlich ist KI-Pricing eine Frage der Unternehmensethik. Wenn ein Dienstleister in der Silvesternacht seine Servicegebühren vervierfacht, wird die Mehrheit der Kunden dies wohl als Abzocke empfinden. Wenn die Produktpreise zu Stoßzeiten in lokalen Geschäften um ein paar Cent steigen, würden das wohl viele Kunden gerne in Kauf nehmen, sofern der Preisanstieg dazu beiträgt, die Warteschlangen an der Kasse zu verkürzen und sich dem flexiblen Käufer dadurch eine Gelegenheit zum Sparen bietet.
KI-gestützte Preisgestaltung an sich ist weder rücksichtslos noch ausbeuterisch. Es sind die Unternehmen und ihre Prozesse, die entscheiden, wer davon profitiert. Wir sind überzeugt, dass Unternehmen mit transparenter Kommunikation und einem fairen Einsatz von KI-Pricing die Vorteile höherer Gewinnmargen nutzen können, ohne Kunden zu verlieren.
3 Argumente, warum Kunden von KI-Pricing profitieren
Richtig umgesetzt, ermöglicht dynamisches KI-Pricing Einzelhändlern, ein besseres Kundenerlebnis zu realisieren. Hier sind nur drei Möglichkeiten, wie Kunden profitieren und die Preisgestaltung zum Win-Win-Szenario wird.
Kunden-informierte Preisgestaltung
KI-basiertes Pricing ist von Natur aus data driven. Indem Algorithmen historische Verkaufszahlen und saisonale Nachfrage nutzen, um die Preiselastizität zu berechnen, helfen sie Unternehmen, stärker auf ihre Kunden zu hören. Wenn die Mehrheit der Kunden der Meinung ist, dass 90 Euro für ein bestimmtes Paar Schuhe zu hoch sind, wird sich das in Verkaufszahlen widerspiegeln. Dann kann das Unternehmen den Preis senken – und zwar noch vor seinen Wettbewerbern.
Kunden gewinnen an Macht. Sie können die Preispolitik beeinflussen, wenn sie ihre Werte und Meinungen mit ihrem Kaufverhalten in Einklang bringen. Wenn Einzelhändler eine hohe Preissensibilität für bestimmte Artikel feststellen, werden sie diese Preise wahrscheinlich so lange senken, bis eine breite Akzeptanz erreicht ist.
“Ausverkauft”-Meldungen vermeiden
Einige KI-Pricing-Algorithmen, wie der von 7Learnings, können die Lagerbestände bei ihren Preisempfehlungen berücksichtigen. Sie raten zur Preiserhöhung, wenn die Lagerbestände niedrig sind, um die Nachfrage zu senken und die Nichtverfügbarkeit von Artikeln zu vermeiden. Kunden, die ein Produkt wirklich zeitnah kaufen möchten, können es dann trotzdem für einen kleinen Aufpreis erhalten.
Unterbrechungen in den Lieferketten waren nicht nur ein Phänomen der Pandemie, sondern sind in einem unsicheren, globalisierten Markt nach wie vor ein reales Problem. Die KI-gestützte Preisgestaltung ist eine Möglichkeit, den Kunden trotz der Unwägbarkeiten schnelle Lieferungen und eine kontinuierliche Verfügbarkeit anzubieten.
Neue Möglichkeiten für Rabatte
Bei hohen Lagerbeständen schlagen intelligente Algorithmen Preissenkungen vor, um den Absatz zu steigern und Platz für neue Produkte zu schaffen. Einzelhändler begrenzen auf diese Weise ihre Umsatzeinbußen, während Kunden, die trendige Artikel kaufen wollen, davon profitieren. Außerdem können diejenigen, die bereit sind, ihren Kauf eine Weile aufzuschieben, später ein Schnäppchen machen.
Die Verbraucher müssen außerdem bedenken, dass Gewinnsteigerungen in der Regel durch kleine Preisanpassungen auf Produktebene erzielt werden, die sich auf Unternehmensebene summieren. Diese erlauben es Einzelhändlern nicht nur, ihre Bilanz aufzubessern, sondern in neue Produkte und ein besseres Kundenerlebnis zu investieren.
Fazit
Dynamischem KI-Pricing gehört die Zukunft. Die Vorteile für Unternehmen sind erheblich und erklären, warum die neue Preisstrategie schnell in immer mehr Branchen Einzug hält. Noch fehlt allerdings eine breite Akzeptanz bei Kunden im DACH-Raum, wie eine Studie von Rogato und Exeo zeigt.
Damit Unternehmen durch die Einführung von KI-gestütztem Pricing keine Kunden verlieren, ist es entscheidend, dass sie ihre Gründe für den Wechsel erklären. Die Kunden müssen verstehen, dass dynamisches Pricing nicht zwangsläufig mit einem Preisanstieg gleichzusetzen ist. Die Preise können im Einklang mit den Unternehmenszielen sowohl steigen als auch sinken. Wenn Kunden ihre Vorteile dabei erkennen, werden sie das Preismodell eher akzeptieren.
KI-Pricing kann, richtig eingesetzt, ein Win-Win-Szenario schaffen: Es hilft, die Preise auf Basis von Nachfrage festzulegen, die Verfügbarkeit von Produkten sicherzustellen und Rabatte für Artikel aus Überbeständen anzubieten.