Deutschland ist eine der größten Volkswirtschaften der Welt, doch sein E-Commerce-Markt bietet eine einzigartige Mischung aus Chancen und Zwängen, insbesondere für Lebensmittel und Verbrauchsgüter. Bei der 18. Ausgabe der Dynamic Pricing Community habe ich untersucht, wie Deutschland im Vergleich zu anderen globalen Märkten dasteht und wo Einzelhändler Wachstum freisetzen können.
Deutschland: Ein starker E-Commerce-Markt mit versteckten Zwängen
Weltweit gehört Deutschland zu den fünf größten E-Commerce-Märkten, hinter China, den USA und Großbritannien. Gemessen als Gesamtmarkt Anteil am gesamten Einzelhandelliegt Deutschland hinter Ländern wie Großbritannien oder China zurück.
Der Grund dafür liegt vor allem im Lebensmittelbranche. In Deutschland ist der Online-Einkauf von Lebensmitteln im Vergleich zu anderen westeuropäischen Ländern deutlich weniger verbreitet. Während der E-Commerce insgesamt gewachsen ist, dominieren Kategorien wie Mode und Elektronik, während Lebensmittel nach wie vor überwiegend offline gekauft werden.
Ein Hauptgrund: Dünne Margen im Lebensmittelhandel kombiniert mit hohen Logistikkosten. Die deutschen Verbraucher sind außerdem sehr preissensibel und traditionell loyal gegenüber dem Einkaufserlebnis im Geschäft.
Der überwältigende Marktanteil von Amazon
Ein zweites wichtiges Thema meiner Sitzung war die schiere Größe von Amazon Größe in Deutschland. Den Umfrageergebnissen der Sitzung zufolge haben viele die Rolle von Amazon im B2C-E-Commerce unterschätzt. Die richtige Zahl ist rund 60% des B2C-E-Commerce-Umsatzes in Deutschland fließen über Amazon.
Dies beinhaltet beides:
- Amazon Einzelhandel – Direktverkauf von Amazon an Verbraucher
- Amazon-Marktplatz – Drittverkäufer, die über die Amazon-Plattform operieren
Insbesondere der Marketplace ist nach Umsatz der größere der beiden Bereiche. Dies unterstreicht, dass Amazon zwar ein dominanter Einzelhändler ist, aber auch ein riesiges Ökosystem. Für Marken und Einzelhändler ist es entscheidend zu verstehen, wie sie in diesem System agieren können.
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Die Entwicklung der E-Commerce-Akteure
Die Entwicklung der deutschen E-Commerce-Akteure lässt sich in vier große Kategorien einteilen:
- Traditionelle Versandhandelsmarken: Unternehmen wie Otto, die erfolgreich auf Online umgestiegen sind.
- Reine Online-Spieler: Einzelhändler, die digital geboren wurden, wie z.B. Zalando.
- Hersteller werden D2C: Marken wie Nike, die in Direct-to-Consumer-Funktionen investieren.
- Stationäre Einzelhändler bauen Online-Präsenz auf: Physische Einzelhändler bevorzugen jetzt digitale Kanäle, oft mit Headless-Commerce-Konzepten.
Omnichannel wird schnell zur Norm. Tools wie Composable Commerce und flexible Infrastrukturen haben die Hürde für traditionelle Einzelhändler gesenkt, online zu konkurrieren.
„Es war noch nie so einfach, einen Online-Shop zu eröffnen, aber es war auch noch nie so schwierig, ihn profitabel zu betreiben.“
Was Deutschland von anderen Ländern lernen kann
Der vorsichtige Ansatz Deutschlands beim Online-Einkauf von Lebensmitteln steht in starkem Kontrast zu Großbritannien und Frankreichwo die Akzeptanz deutlich höher ist. Automatisierung, Lieferdichte und das Vertrauen der Verbraucher sind die drei wichtigsten Faktoren in diesen Märkten.
In den USA haben Akteure wie Instacart erfolgreich skalierbare On-Demand-Modelle entwickelt. In Großbritannien, Click-and-Collect hat sich durchgesetzt, aber in Deutschland steckt es noch in den Kinderschuhen.
Während einige deutsche Supermärkte ihr digitales Angebot während der COVID-19-Pandemie beschleunigt haben, ist das Verhalten weitgehend zum Einkaufen im Laden zurückgekehrt. Click and Collect nimmt zu, aber es ist noch weit davon entfernt, zum Mainstream zu werden.
Neue Marktteilnehmer und Innovationsdruck
Eine weitere zu beobachtende Dimension ist neue Marktteilnehmer wie Temu und Shein. Diese Unternehmen konkurrieren nicht nur über den Preis; sie sind innovativ in allen Lieferkette, Produktzyklenund Benutzerbindung. Ihr Erfolg wirft wichtige Fragen für den deutschen Einzelhandel auf:
- Sind Sie schnell genug mit Innovationen?
- Können Sie mit deren Geschwindigkeit mithalten, ohne an Marge zu verlieren?
- Wie hebt sich Ihr Nutzenversprechen ab?
Diese Umwälzungen zwingen die gesamte Branche dazu, ihre Annahmen zu überdenken – vom Marketing bis zur Abwicklung.
Die Herausforderung der nachhaltigen Rentabilität
Die vielleicht wichtigste Erkenntnis ist diese: Rentabilität im E-Commerce ist schwieriger denn je.
Während die Technologie ausgereift ist, steigen die Kosten für die Kundenakquise, die Marktplätze sind zunehmend wettbewerbsintensiv und die Preistransparenz ist so hoch wie nie zuvor. Für Einzelhändler, insbesondere im Lebensmittel- und Verbrauchsgüterbereich, bedeutet dies, dass der Spielraum für Fehler gering ist.
Um sich in dieser Landschaft zurechtzufinden, schlage ich drei strategische Prioritäten vor:
- Aufbau starker Omnichannel-Fähigkeiten – Kunden erwarten Flexibilität. Ermöglichen Sie den nahtlosen Wechsel zwischen online und offline.
- Kontrollieren Sie Ihre Daten-Der Besitz von Daten ist der Schlüssel zu Preisgestaltung, Personalisierung und Leistung, ob auf Amazon Marketplace oder Ihrer eigenen Website.
- Konzentrieren Sie sich auf den Kundennutzen, nicht nur auf Transaktionen – Investitionen in Loyalität, Erfahrung und Vertrauen werden sich mehr auszahlen als nicht nachhaltige Werbeaktionen.
Der Weg nach vorn für den deutschen Einzelhandel
Der deutsche E-Commerce-Markt ist sowohl reif als auch unterentwickelt, je nachdem, wohin man schaut. Während der Online-Handel mit Mode und Elektronik bereits weit verbreitet ist, ist der Lebensmittelhandel noch ein Neuland mit vielen logistischen und strategischen Herausforderungen.
Einzelhändler, die sich an das veränderte Verbraucherverhalten anpassen, Plattformen wie Amazon strategisch nutzen und in nachhaltige Preismodelle investieren, werden für langfristiges Wachstum am besten aufgestellt sein.
Über den Autor
Marc Ebel ist Experte für „Erklären der digitalen Welt“ und Professor für Marketing und E-Commerce an der IU International University of Applied Sciences in München. Zuvor war er fast zwei Jahrzehnte lang bei einem der weltweit größten digitalen Unternehmen und größten Online-Händler tätig. Dort baute er mehrere neue Produktbereiche auf, darunter neue Musikdienste, die ultraschnelle Lieferung und den Online-Handel mit frischen Lebensmitteln. Zu seinen Forschungs- und Beratungsschwerpunkten gehören E-Commerce, digitale Strategien, KI in Start-ups und Marketing sowie agile Managementmethoden.